project:DEV – Interview mit Dr. Niki Laber (Media Biz 03/2010)
In meinem vorigen Beitrag beklagte ich mich über die doch relativ karge Spiele Entwickler Branche in Österreich, doch es herrschten kurzfristig auch einmal rosigere Zeiten. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an Rockstar Vienna, die mit den Xbox Umsetzungen von GTA 3 und GTA Vice City zwei Number One Hits in den USA hatten. Während sie dann aber 2006 an Manhunt 2 arbeiteten kam die Schließung des Unternehmens sprichwörtlich über Nacht.
In der März 2010 Ausgabe des Media Biz Magazins kann man unter dem Titel „Spielt, spielt, spielt…“ ein recht informatives Interview mit Dr. Niki Laber nachlesen, in dem er näher auf die Hintergründe dazu eingeht. Hier folgt nun eine grobe Zusammenfassung des Artikels:
Dr. Niki Laber und Hannes Seifert gründeten 1993 neo Software Production, wo sie fast zehn Jahre lang Amiga und PC Spiele entwickelten, darunter „Der Clou!“ und „Rent a Hero„. Im Jahr 2000 wurden sie vom US Publisher Take 2 übernommen und in Rockstar Vienna umbenannt, wo sie neben den beiden GTA Titeln auch Max Payne auf die Xbox portierten. Mitten in den Arbeiten zu Manhunt 2 wurde Rockstar Vienna aber vom Publisher über Nacht geschlossen und die Angstellten standen am nächsten Tag buchstäblich vor verschlossenen Türen. 2007 meldeten sich die Studiogründer mit dem neuen Unternehmen Games That Matter zurück. Dazu gibt es übrigens eine informative Episode des Consol.at Podcasts, wo Hannes Seifert Rede und Antwort stand. Leider war auch deren Bestehen nicht von langer Dauer, denn noch im gleichen Jahr folgte die Übernahme durch Koch Media und aus Games That Matter wurde Deep Silver Vienna, deren einziges Spiel der Wii Titel Cursed Mountain sein sollte. Anfang 2010 wurde auch dieses Studio geschlossen.
Im weiteren Verlauf des BIZ Artikels werden die Gründe dieser rasanten Berg- und Talfahrt erörtert. Dr. Klemens Kundratiz, Geschäftsführer von Koch Media, meinte, dass die Entscheidung, Deep Silver Vienna zu schließen, nicht leicht gefallen sei, aber die derzeitige wirtschaftliche Gesamtlage die Optimierung der Prozesse notwendig gemacht hat, weshalb die Produktionsleitung von Deep Silver komplett nach München geholt wurde, um redundante Stellen abzubauen.
Dr. Niki Laber geht im Zuge des Interviews weiter darauf ein. Seinen Aussagen zufolge geht es der Branche weltweit eigentlich gut, die Umsätze scheinen zu stimmen. Das eigentliche Problem ist aber, dass bei Börsen orientierten Unternehmen die Analysten bei der strategischen Ausrichtung gehörig mitzureden hätten. Entscheidungen sind meistens rein kaufmännischer Natur und nur im globalen, wirtschaftlichen Kontext zu verstehen. GTA 3, GTA Vice City und Max Payne hatten insgesamt über 200 Millionen Dollar in den USA eingespielt, trotzdem hielt man bei Take 2 auf Anraten der Analysten eine Schließung für sinnvoll, um die gesamtwirtschaftliche Situation, die sich auch in den Aktienkursen wieder spiegelt, zu optimieren. Kaufmännisch durchaus nachvollziehbar, für die 110 über Nacht gekündigten Mitarbeiter aber eine Katastrophe.
Dr. Niki Laber:
„Eines habe ich daraus gelernt: Wenn man nicht zu gesperrt werden möchte, darf man nicht verkaufen“.
Trotzdem sei ein Verkauf an einen großen Publisher meistens eine Notwendigkeit, denn der beste Titel nützt nichts, wenn man ihn nicht international vermarkten und verkaufen kann. Die nötigen Muskeln dafür haben aber eben nur die großen Publisher. Laut Dr. Laber sind die Zeiten vorbei, wo wenige Entwickler in ihrer Garage ein AAA Game für den Weltmarkt entwickeln konnten. Sogar an Cursed Mountain, das ein eher kleines Projekt darstellt, haben 270 Menschen in 14 Ländern mitgearbeitet. Er macht zwar keine Angaben über die gesamten Entwicklungskosten des Spiels, meint aber, dass die Kosten eines High End AAA Titels, der auf 3 Plattformen erscheint, etwa bei 20 Millionen Euro liegen dürfte.
Der Rest des sehr aufschlussreichen Interviews dreht sich um Cursed Mountain, Browser und Casual Games, neue Steuerungskonzepte (Wii, Move und damals noch „Project Natal“) und die Diskussion über gewalthaltige Spiele und deren mögliche Ursache für Amokläufe.
Dr. Niki Laber ist Geschäftsführer des Österreichischen Verbands für Unterhaltungssoftware (OVUS) und einzig allgemein beeideter Sachverständiger für Computer- und Online Spiele.
Die Geschichte rund um Rockstar Vienna, Games That Matter und Deep Silver Vienna ist zweifellos bedauerlich, aber kann man daraus Lehren ziehen, die auf die aktuelle Situation übertragen werden können? Hat man hierzulande als relativ kleiner, unabhängiger Entwickler sowieso keine Chancen, wenn man sich nicht an einen großen Publisher verkauft? Bei einem Verkauf steigen zwar die internationalen Markt Chancen, muss man aber Standort bedingt trotz Erfolg (!) jederzeit mit einer Schließung rechnen?
Das wäre ein wahrlich trauriges und demotivierendes Fazit. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was ich im Zuge von „project:DEV“ noch über die Situation herausfinden werde!
[Media Biz]
[ovus.at]
[gemeinsamspielen.at]
[Consol.at Podcast]