Stop-Motion Forever!

Neulich hatte ich eine kurze Diskussion mit einem Studienkollegen über klassische Filmeffekte, genau genommen über die Stop-Motion Technik, eingesetzt als Special Effect im Realfilm (Animationsfilme in der Art von Nightmare before Christmas lasse ich in diesem Artikel außen vor). Während ich diese alte Art der Animation sehr gerne habe, fand er sie „lächerlich, bestenfalls unterhaltsam“. Das traf mich dann schon irgendwie, denn aus heutiger Sicht gesehen hat er damit sicherlich nicht so unrecht. Ich bin halt in einer Zeit aufgewachsen, wo Stop-Motion Animation der technische Standard war, und habe wahrscheinlich einen anderen Zugang zu der Sache, als meine jüngeren Kollegen, die diese Technik höchstens aus dem Sonntag Nachmittag Schmuddel TV Programm kennen (wenn überhaupt).

Klar, man erkennt durch den ruckeligen Bewegungsablauf quasi in allen Fällen auf den ersten Blick, dass es sich hierbei um einen künstlichen Effekt handelt, während man von heutigen Computeranimationen quasi Fotorealismus gewohnt ist. Doch ist es so schlecht, wenn man erkennt, dass die Effekte in dieser offensichtlich künstlich erschaffenen und auf die Leinwand projezierten Sache namens Film auch offensichtlich künstlicher Natur sind? Ich finde, das macht gar nichts.

Auf jeden Fall war das ganze Grund genug, an dieser Stelle mal einen längeren Artikel über die fast vergessene Kunst der Stop-Motion Technik  im Realfilm zu verfassen. Los geht’s:

Wahrscheinlich rührt meine Zuneigung zu Filmen dieser Machart aber vom zeitlichen Abstand, der inzwischen vergangen ist. Ich kann gar nicht genau sagen, ob mir Stop-Motion damals auch schon ausdrücklich gefallen hat, oder ob das nun (wie so oft) lediglich aus jugendlich verbendeten Erinnerungen heraus entsteht. Vermutlich waren die Filmemacher selbst höchst unzufrieden mit der offensichtlichen Künstlichkeit der Animationen, und heilfroh, als die Computertechnik endlich einen nie zuvor gekannten Realismus ermöglichte, und Stop-Motion in den Ruhestand geschickt hat.

Dass eine neue technologische Entwicklung eine alte ablöst, ist ja durchaus nichts neues und passiert ständig. Oft gerät die alte Technik dann eine Weile in Vergessenheit, um dann nach Jahren, wenn die Zeit dafür reif ist, wieder aufzutauchen, um dann plötzlich als gezielt eingesetztes Stilmittel wieder einen zweiten Frühling zu erleben. Auch die Schwarzweiß Fotografie und der Schwarzweißfilm standen nach der Einführung der Farbe mal eine Zeit lang am Abstellgleis, bis nach einiger Zeit ihr ästhetischer Charme wiederentdeckt, oder vielleicht sogar zum ersten mal richtig bewusst wahrgenommen und zu schätzen gelernt wurde.

Ähnliches passiert ja derzeit gerade im Bereich der Computerspiele: Als die Rechenleistung der Computer Ende der 1990iger Jahre endlich so groß war, um die Spiele immer realistischer wirken zu lassen, war man froh, die Zeit der groben Pixel und der synthetischen Düdel-Klänge endlich hinter sich zu haben. Doch jetzt, mit genügend zeitlichem Abstand, scheinen sich die Leute wieder an die alten Zeiten zu erinnern – doch plötzlich sind die Einschränkungen von damals keine ungewollten, technischen Hürden mehr, sondern zusätzliche, bewusst eingesetzte Stilmittel mit eigenem Charme und eigener Ästhetik. Das ganze wird im allgemeinen dann als „Retro“ bezeichnet und hat so manch einer guten Sache nach einer kurzen Phase des Scheintodes seine Unsterblichkeit gesichert.

Doch zurück zum eigentlichen Thema, der Stop-Motion Technik. Dem Trickfilmpionier Georges Mèliès (1861 – 1938) wird die Erfindung des Stop-Tricks zugeschrieben. In dem er mit einer fix auf einem Stativ befestigten Kamera Szenen filmte, die Kamera stoppte, den Bildinhalt etwas veränderte, und dann die Kamera weiterlaufen lies, erzeugte er die Illussion von verschwindenden und wieder auftauchenden Menschen oder Gegenständen. Georges Mèliès etablierte daneben noch zahlreiche weiteren Film-Spezialeffekte, auf die ich hier aber nicht weiter eingehen möchte. Auf YouTube sind aber (wie von fast allem) zahlreiche Beispiele seiner wirklich sehenswerten Schaffenswerke zu begutachten.

Den nächsten großen Schritt tat die Stop-Motion Animation dann 1925, als Willis O’Brien sie dazu benutzte, Dinosaurier zum Leben zu erwecken, und 1933 von Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack engangiert wurde, um King Kong zu erschaffen. Ich muss jedem Filminteressierten den Kampf zwischen King Kong und dem Dinosaurier ans Herz legen. Ich finde diese Sequenz trotz einem Alter von fast 80 Jahren wirklich sehnenswert! Aber die wahrscheinlich wichtigste Rolle in der Geschichte der Stop-Motion nimmt    Ray Harryhausen ein, der als Schüler von Willis O’Brien die Technik perfektionierte. Von den späten 1950iger Jahren an bis in die 1980iger war er unter Anderem für die Animationen in den zahlreichen Sindbad Filmen und für den orignalen Kampf der Titaten verantwortlich – Die kämpfenden Skelette aus Jason und die Argonauten wurden so etwas wie sein Markenzeichen, die muss man einfach kennen.

In den 1980igern wurde die Stop-Motion dann von Phil Tippett zur Go-Motion Technik weiterentwickelt, die durch gesteigerte Bewegungsunschärfe der einzelnen Bewegungsphasen eine Spur realistischer wirkte. Phil Tippett war unter andern für viele der Special Effects in den Filmen von George Lucas verantwortlich, und ist übrigens noch immer im Geschäft. Eine der beeindruckendsten Szenen meiner filmischen Kindheit war übrigens der Drache aus Der Drachentöter. Hier fand die Go-Motion Technik ihren Einsatz, und der Drache sieht wirklich auch aus heutiger Sicht betrachtet noch verdammt gut aus.

Anfang der 1990ier Jahre setzte dann unaufhaltsam der Siegeszug der Computeranimation (CGI) ein, und spätestens mit den beeindruckend lebensecht wirkenden Dinosauriern aus Jurassic Park war klar, dass Stop/Go-Motion keine Zukunft mehr hatte, und wurde almählich zu Grabe getragen. Doch wie weiter oben bereits bemerkt, braucht es oft eine gewisse Zeit des Scheintodes, bis man die Vorzüge und den Charme alter Techniken wieder entdeckt, so wie es in meinem Fall auch mit Stop-Motion geschehen ist. Deshalb finde ich im Gegensatz zu meinem Studienkollegen die Ästhetik dieser Animationstechnik weder „lächerlich“ noch „höchstens unterhaltsam“, sondern weiß ihren Charme zu schätzen und zu lieben. Deshalb war meine Freude umso größer, als ich entdeckte, dass jemand im Team des japanischen Computerspiele Entwicklers  Team Ninja diesen Charme ebenso zu schätzen weiß, und in einem der Abspänne des Spiels Dead or Alive 4 trotz Computeranimation der Stop-Motion Ästhetik Tribut zollt.

Ich würde es mir sehr wünschen, dass auch im modernen Realfilm diese Retro-Technik wieder öfters bewusst eingesetzt zu sehen sein würde. Klar, eine mit CGI vergleichbare, fotorealistische Wirkung lässt sich damit nicht erzielen. Aber als gezielt eingesetztes Stilmittel könnte Stop-Motion wieder etwas frischen Retro-Wind in die äußerst sterilen gewordenen Bildwelten heutiger Filme bringen. Wenn man dieser Ästhetik aber auch wirklich nichts abgewinnen kann, so muss man aber doch der handwerklichen Leistung aus dieser Ära Respekt erweisen.

Also, ihr Filmemacher da draußen: Traut euch ruhig, meinen Segen habt ihr 😉

Hier gibt’s noch einige YouTube Schnipsel zu sehen, die ich als sehenswert betrachte. Viel Spaß 🙂

lg

Huma


YouTube: Kampf mit dem T-Rex, aus „King Kong und die weiße Frau“ (1933)

Kampf mit den Skeletteon aus „Jason und die Argonauten“ (1963):


http://www.youtube.com/watch?v=0gKD7qy98-E


„Der Drachentöter“ (1981)


http://www.youtube.com/watch?v=L0WgK9iYiDk

Stop-Motion Hommage: Ein Abspann aus „Dead or Alive 4“ (2005)


http://www.youtube.com/watch?v=BAhHu6BDBFM